Verwendung unterschiedlicher Zutaten mindern das Vergnügen keineswegs, sondern ermöglichen uns, diesen großartigen Aufstrich immer wieder neu zu entdecken und zu genießen.
Der Balkan ist als Region bekannt, in der das Klima, der Boden und das menschliche Können besonders gut geeignet sind, leckeres, süßes und verführerisches Obst zu züchten, aus dem hervorragende Weine, Branntweine, Marmeladen und Säfte gemacht werden. Aber was ist mit Gemüse? Gibt es auch in dieser Kategorie etwas wie die Zwetschgen und Trauben, von denen wir in unseren vorherigen Texten geschrieben haben?
Sicher gibt es das, und zwar die Paprika. Die klimatischen Bedingungen in den südlichen Teilen des Balkans, vor allem im Süden Serbiens und Nordmazedoniens, sind mit ihren vielen Sonnentagen und dem fruchtbaren Boden rund um die Flusstäler ideal zur Züchtung süßer roter Paprika als Hauptbestandteil (oder nach einigen Rezepten sogar einzigem Bestandteil) von Ajvar. Das ist der Lieblingsaufstrich der Balkaner und ihrer Gäste, sodass jedes Haus einen hinreichenden Vorrat an hausgemachtem oder gekauftem Ajvar haben muss, der natürlich auf traditionelle Weise zubereitet wird.
Die Herkunft des Ajvar
Das Wort Ajvar stammt vom türkischen Ausdruck „havyar“ bzw. vom persischen „khâvyâr“, der den gesalzenen Fischrogen bezeichnete, der bei uns auch als Kaviar bekannt ist. Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts wurden in der Donau Störe gefischt und Serbien war ein bekannter Kaviarproduzent. Noch heute hört man für Ajvar auch den Ausdruck „roter Kaviar“ oder „serbischer Kaviar“, und seltener wird Kaviar als „Fischajvar“ bezeichnet.
Das Rezept entstand gegen Ende der türkischen Herrschaft auf dem Balkan als Methode, die leckeren Paprika für den Verzehr in den Wintermonaten zu konservieren. Heute ist Ajvar viel mehr als nur ein Wintervorrat. Er wird ganzjährig und selbstständig verwendet, als Vorspeise oder als Zutat zum Kochen anderer Speisen.
In Serbien wird der Leskovacer Ajvar ausschließlich aus roten Paprika zubereitet, während dem mazedonischen Ajvar auch Melanzani hinzugefügt werden. Das ist der wichtigste Unterschied zwischen den beiden „Ajvarschulen“, der immer wieder zu einer Debatte darüber führt, wessen Ajvar der bessere ist. Die meisten Menschen in Ex-Jugoslawien, Bulgarien und Albanien bevorzugen noch immer ihren hausgemachten Ajvar nach Omas Rezept, der für sie zweifellos der beste ist.
Die Zubereitung von Ajvar
Lässt man die Frage, ob auch Melanzani in den Ajvar gehören, außer Acht, ist die Zubereitung bei allen Produkten fast identisch. Die Grundlage sind reife Paprika, die gegen Ende des Sommers oder zu Beginn des Herbstes geerntet werden. Besonders geeignet sind die Sorten Kurtovska kapija, Makedonka, Moravska kapija, Slonovo uvo, Amfora, Crvena šilja sowie autochthone Sorten. Die Paprika, die in den Ajvar gegeben werden, müssen gesund, reif, ohne dunkle Flecken, Risse oder sonstige Beschädigungen sein – kurz gesagt so, dass man sie in der Albertina ausstellen könnte.
Die Paprika werden erst gründlich gewaschen, dann langsam auf einem Holzofen vom Typ Smederevac gebacken. Auch das Grillen oder das Garen in Metalltöpfen direkt über dem Feuer sind möglich, jedoch lässt sich hier die Temperatur schwerer kontrollieren. Diese Methode bringt auch den feinen Räuchergeschmack hervor, der bis zum Verzehr diskret im Ajvar erhalten bleibt. Schneller und günstiger ist es, einen Elektro- oder Gasofen zu verwenden, aber das geht sehr zulasten der Qualität und des magischen Geschmacks.
Nach dem Backen, wenn die Haut der Paprika schwarz wird und sich abzuschälen beginnt, kommt der anspruchsvollste Teil: das Schälen und das Entfernen der Kerne. Dies geschieht am besten von Hand und strenge traditionelle Produzenten bestehen darauf, dass ihr Ajvar keinerlei Kerne oder schwarze Paprikahaut enthält. Dann folgt das manuelle Zerteilen der Paprika oder das Mahlen mit Handmühlen und Maschinen, die in den Familien ebenfalls von Generation zu Generation weitergegeben werden.
Die nächste Phase ist das Einkochen der Paprika in großen Pfannen mit Öl, Essig, Salz und manchmal auch Knoblauch und ein wenig Zucker. Auch dieser Prozess verläuft am besten auf einem Holzkohlenherd bei geringer Hitze unter ständigem Rühren mit einem Holzlöffel. Gibt man eine geringere Menge Pflanzenöl hinzu, wird der Ajvar leichter, frischer und „bissfester“, während man mit mehr Öl eine komplexere Struktur und einen volleren Geschmack erhält, wie er eher mit Kaviar assoziiert wird. Ein gut gekochter Ajvar enthält keine überschüssige Flüssigkeit und geht vom flüssigen Zustand in eine fast feste, homogene Form über.